Reihe: Der ptv Sachsen stellt sich vor

Unsere ambulanten Dienste aus Dresden stellen sich vor

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„Ein Mensch trifft einen Menschen und Hilfe beginnt mit der Frage, was hilft dir.“

Der Bereich Ambulante Dienste ist ein Bereich, der stetem Wandel unterliegt. Weder hieß er bei seiner Eröffnung im Herbst 2011 in der Huttenstraße 4 in Dresden so, noch war dies der Ausgangspunkt für diesen Bereich. Bereits in den Jahren vorher gab es eine Arbeitsgruppe Krisendienst im ptv Sachsen, die sich bemühte, eine große Leerstelle in der außerstationären Begleitung psychisch kranker Menschen in Dresden zu beseitigen, die fehlende ganztägige und ganzjährige Krisenbegleitung. Immer wieder war dies, bis heute, an der Finanzierung gescheitert. Und so war es eine Verheißung als wir von einem Projekt der Integrierten Versorgung, getragen im Wesentlichen von der TK (Technischen Krankenkasse), hörten, die genau diese Krisenbegleitung zur Verhinderung häufiger stationärer Aufenthalte ausbauen wollte. Teil dieser Integrierten Versorgung (heute besondere Versorgung) war, neben der rund um die Uhr Begleitung in der Häuslichkeit und 24 Stunden Hotline durch multiprofessionelle Teams (Pflege, soziale Arbeit, Ergotherapie, Psychologie) ein Haus mit Rückzugsräumen. So wurde die Huttenstraße erworben und um- und ausgebaut, unter Hochdruck, fast bis zum Tag der offiziellen Eröffnung. Schon der Empfangsbereich zeigte, hier wird etwas anders sein, als wir es sonst in der Sozialpsychiatrie kennen, und große Hoffnung und Aufbruchstimmung begleitete das Team in zehn erfolgreiche Jahre. Mit in das Haus zog damals der somatische Pflegedienst mit Schwerpunkt Psychische Erkrankung, der Soziotherapeut und auch ein Team psychiatrische häusliche Pflege stand in den Kinderschuhen mit am Start. Diese Aufbruchszeit wurde noch dadurch gepuscht, dass sich zwei weitere Krankenkassen und eine Managementgesellschaft, die eine Anzahl Betriebskrankenkassen vertrat, dem Vertrag anschlossen. So etwas hatte es in dieser Größenordnung in Deutschland vermutlich nie vorher im Bereich der Sozialpsychiatrie gegeben und die Träger tauschten sich deutschlandweit auf Praktikertreffen zu Best Practices aus. In Dresden nahmen in den besten Zeiten etwa 230 Klienten an diesem Programm teil, eine enorme Zahl, wenn man bedenkt, dass es sich im Wesentlichen um eine Krankenkasse handelte, die nicht die meisten Versicherten der Stadt hatte. Eine andere Kasse versuchte andere Ideen umzusetzen, um Menschen den Übergang vom Krankengeld in Arbeit zu erleichtern. Ehrlicherweise muss gesagt werden, dass dieser Erfolg vielleicht dazu führte, dass das Programm verwässerte. Immer mehr Versicherte wollten die Kassen einsteuern, auch solche, bei denen das Hauptziel der Geldgeber, die Verminderung von Kliniktagen schon deshalb nicht zu erreichen war, weil sie in der Vergangenheit praktisch keine nennenswerten Klinikaufenthalte hatten. Unter anderem dies fiel uns in der Evaluation auf die Füße und danach wurde das Programm seit etwa 2020 systematisch beschnitten und aus 230 Versicherten für drei Jahre mit Verlängerungsmöglichkeiten ist heute in Dresden ein trauriger Rest mit weniger als zehn Versicherten im Jahr nach Klinik für drei Monate ohne Hotline, ohne Rückzugsräume geworden, in vielen anderen Regionen in Deutschland gibt es diese Versorgung überhaupt nicht mehr und es ist mit den entschwundenen Mitarbeitenden auch unfassbar viel Wissen für immer verloren.

Daran dachte 2011 und in den folgenden Jahren noch niemand. Die Psychiatrische häusliche Pflege (bekannt als APP) entstand und entwickelte sich nach anfänglichen personellen Rucklern. Inzwischen versorgt sie in Dresden und engem Umland ca. 200 Patienten im Jahr und ist damit für die Kliniken die erste Ansprechstelle für schwer erkrankte Menschen ohne ausreichende persönliche und familiäre Ressourcen. APP wird von Pflegefachkräften erbracht, was die Personalfindung sehr erschwert, und kann für zunächst vier Monate, mit einem guten Stundenkontingent erbracht werden. Auch Verlängerungen sind möglich. APP hilft in Krisen oder nach Klinik bei der Selbstversorgung, dem Aufbau von sozialen Kontakten, bei der Tages- und Wochenstrukturierung, versucht das Umfeld einzubeziehen, macht Krisenvorsorge. Sie wird auch geschätzt, weil sie mit einer Verordnung und einem Behandlungsplan relativ leicht und niedrigschwellig durch Kliniken und Fachärzte verordnet werden kann.

Dies trifft so ähnlich auch auf die Soziotherapie zu, dem einzigen Bereich, der heute noch so wie 2011 in der Huttenstraße verankert ist, allerdings ein bisschen größer. Wir begleiteten in diesem Bereich im letzten Jahr etwa 190 Versicherte, was im Vergleich zu 2011 grob einer Verzehnfachung entsprechen dürfte. Von der APP unterscheidet sich dieser Bereich dadurch, dass die Leistung drei Jahre läuft, mit einem wesentlich geringerem Stundenkontingent (120 Stunden über 3 Jahre) und dass die betreffenden Personen in der Regel etwas weniger akut erkrankt sind, so dass Koordinationsleistungen mehr in den Mittelpunkt rücken können. Beides sind SGB V Leistungen und leider ist damit die Finanzierung über Fachleistungsstunden immer äußerst knapp und auch in der Soziotherapie sind die Anforderungen an die Fachkräfte sehr hoch, denn sie müssen wenigstens Sozialarbeiter mit Berufserfahrung in der Psychiatrie sein.

Leider gelang es uns nicht, den Pflegedienst zu erhalten. Die komplizierte wirtschaftliche Situation, verbunden mit fehlenden Fachkräften führten zur Aufgabe dieses Bereiches. Erhalten blieb lediglich der Bereich zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen/Verhinderungspflege mit dem Schwerpunkt psychisch erkrankter Menschen. Dort begleiteten wir in der Spitze etwa 130 Menschen im Jahr, bis es zu Jahreswechsel 2022/23 zu einer landesrechtlichen Neuregelung und damit verbunden erzwungener Senkung der Kostensätze kam, die uns den Erhalt dieses Bereiches in dieser Größenordnung unmöglich machte. Inzwischen sind wir dort stabil mit etwas über 60 Klienten aufgestellt und konnten in geringem Umfang ehrenamtlich Mitarbeitende, so genannte „Empaten“, gewinnen.

In den Jahren 2021 – 2023 beteiligte sich der ptv Sachsen vor allem mit dem Team Ambulante Dienste an einer großen Studie mit schwer psychisch erkrankten Menschen (1000 Teilnehmende in Interventions- und Vergleichsgruppe) in verschiedenen Regionen Deutschlands, zur Verbesserung der Ambulanten Versorgung, der Gemeindepsychiatrischen Basis Versorgung (GBV). Auf den ersten Blick der damaligen Integrierten Versorgung nicht unähnlich unterschieden sich beide Projekte in der Praxis deutlich. Die GBV versuchte die Alltagsrealitäten der Versorgung in Deutschland besser zu beachten, denn bei Erfolg soll das Projekt in die Regelversorgung überführt werden. So zumindest prüft es der ausschreibende Innovationsfonds. Das multiprofessionelle GBV-Team übernahm hier vor allem die Einsteuerung, die Krisenbegleitung mit rund um die Uhr Krisenhaus, die Steuerung der Prozesse und die kontinuierliche Begleitung im Hintergrund, so dass ein Klient auch beim Wechsel von einer in die andere Leistung der Regelversorgung, und diese war ausdrücklich einbezogen, nicht, wie es heute noch immer passiert, vom Radar verschwindet. Da das GBV-Team auch Leistungen selbst erbringen durfte, konnten auch Wartezeiten bis zum Beginn von Regelversorgung überbrückt werden, auch hier gehen Menschen heute noch zu oft entmutigt verloren. Obwohl Dresden das kleinste der Studienzentren war, kam hier ein wenig von der Euphorie der Integrierten Versorgung zurück und es bleibt zu hoffen, dass wirklich ein Start multiprofessioneller Teams in der Regelversorgung möglich ist. Die Evaluationsergebnisse sind zumindest recht ermutigend.

All die Veränderungen im Laufe der Jahre erforderten von den Mitarbeitenden stete Anpassungsleistungen, das sich immer wieder auf den Weg machen, neue Settings ausprobieren. Dass dies auch Spaß machen kann, zeigt sich daran, dass die allermeisten der 17 Mitarbeitenden schon zwischen fünf und 12 Jahren im Bereich sind.

Es sind in der Huttenstraße insgesamt sieben verschieden Settings möglich, jedes mit unterschiedlichen Kostensätzen, Frequenzen, Abrechnungen, etliche Mitarbeitende arbeiten in bis zu drei Settings.

Alleinstellungsmerkmale in diesem Bereich sind, dass es sich immer um Kassenleistungen handelt, was einerseits einen schnellen Start für die Klienten ermöglicht, anderseits in einigen Bereichen Zuzahlungen fällig werden.

Auch prägend ist, dass es sich überwiegend um aufsuchende Tätigkeiten handelt und alle Mitarbeitenden als Einzelkämpfer unterwegs sind. Die große Aufgabe ist es, dass sich die einzeln Arbeitenden dennoch in einem Team geborgen fühlen und sich dort auch fachlichen Rat holen können. Dies kann nur gelingen, wenn die Mitarbeitenden füreinander einstehen und einander wenigstens so tolerant begegnen, wie sie es bei Klienten selbstverständlich tun. Und es gelingt meist gut.

Visionen für die Zukunft?

Ein Traum wäre, dass es möglich ist, mit den Krankenkassen offen und gleichberechtigt über gute Versorgung und gerechte Finanzierung sprechen zu können, die alle Leistungen im nötigen Umfang kostendeckend finanziert, mit ausreichend Zeit für Fachlichkeit. Denn wir in der Huttenstraße bilden uns nach über zehn Jahren in verschiedenen Settings ein, dass wir eine Ahnung davon haben könnten, wie das geht. Das müsste nicht einmal viel teurer sein als heute. Und das, was uns vorschwebt, findet sich auch in der S3 Leitlinie wieder

Empfehlung 10 (NEU):
In allen Versorgungsregionen soll eine gemeindepsychiatrische, teambasierte und multiprofessionelle Behandlung zur Versorgung von Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung zur Verfügung stehen.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzebene: Ia-Ib
Ergebnis der Abstimmung: starker Konsens (19.10.2017)
Wichtig: Multidisziplinäre gemeindepsychiatrische Teams sind dadurch charakterisiert, dass eine gemeinsame Verantwortung für eine definierte Gruppe von Patienten vorliegt und die Behandlung und Versorgung entsprechend koordiniert und strukturiert erfolgt. Dies erfordert tragfähige Vergütungsstrukturen für alle an der Teamversorgung Beteiligten. Die Behandlung soll sich an den individuellen Wünschen und Bedarfen der Betroffenen und mit hoher Flexibilität an der Intensität der erforderlichen Interventionen zu jedem Zeitpunkt des Behandlungsprozesses orientieren. Im Sinne der Forderung nach einer Behandlung „ambulant vor stationär“ sollen unnötige stationäre Behandlungen vermieden und gleichzeitig die Kontinuität therapeutischer und sozialer Beziehungen gesichert werden.

Vielleicht hilft ja auch das neue „Sächsische – Psychisch – Kranken – Hilfe – Gesetz“ das die Einrichtung von Krisenversorgung als Soll Norm vorsieht bei der Implementierung einer guten Krisenversorgung in der Häuslichkeit.

Wenn ich die Arbeit in einem Satz zusammenfassen sollte, dann wäre es dieser:

„Ein Mensch trifft einen Menschen und Hilfe beginnt mit der Frage, was hilft dir.“